Herford, Vlothoer Str. 19, Wohnhaus Tremel

Herford, Wohnhaus Tremel, halbrunder Anbau mit Sonnenterrasse

Herford, Wohnhaus Tremel, Zufahrt von der Vlothoer Straße

Herford, Wohnhaus Tremel, Gartenseite

Herford, Wohnhaus Tremel, Nebeneingang

Herford, Wohnhaus Tremel, Haupteingang

Wohnhaus Tremel

Vlothoer Str. 19, 32049 Herford

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denkmalgeschütztes Objekt

1931

Moderne

Friedmann und Seher

August Tremel

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Wohnhaus Tremel

Das Wohnhaus des Herforder Hutfabrikanten August Tremel ist in einer Zeit entstanden, die für den Neubau von Wohnhäusern nicht gerade ideal war. Die wirtschaftliche Situation des Landes hatte gerade den Privatmann der Mittelschicht große finanzielle Verluste beschert. Nur wenige konnten sich kostspielige Neubauten leisten. August Tremel gehörte zu dieser kleinen Gruppe. Hüte gehörten in den 1920er und 1930er Jahren noch zur Standardausstattung. Ohne Hut ging Mann nicht auf die Straße, und für die Damen bot die Hutmode eine Möglichkeit kleine Kunstwerke auf dem Kopf spazieren zu führen. Dieser Umstand wird Tremel nachwievor ein stattliches Einkommen ermöglicht haben. Tremel betrieb einen Laden auf der Lübberstraße, die Werkstatträume waren im Obergeschoss des Hauses untergebracht. Vermutlich hatte sein Vater, von dem er das Geschäft nach dessen Tod 1924 übernommen hatte, noch nicht räumlich zwischen Arbeiten und Wohnen getrennt. Das Haus in der Lübberstraße ließen August junior und sein Bruder abreißen und ersetzten es durch einen Neubau. Die Ladenfront wurde großflächig verglast. Besonders modern waren die konvexen Glasscheiben, die einen fließenden Übergang von der Straße zur Ladentür anregten. Durch diese kurvierte Fensterfläche wurde der Kunde beim Betrachten der Schaufensterauslagen fast ohne es zu bemerken ins Geschäft hinein geleitet.

Eine gebogene Fläche wird auch am Wohnhaus von August Tremel zum wichtigsten Element. An die Ostseite des schlichten Quaders setzten die Herforder Architekten Friedmann und Seher einen halbrunden Anbau, der im Erdgeschoss vermutlich das Esszimmer aufnimmt. Das Dach des Anbaus wird im Obergeschoss als Sonnenterrasse genutzt. Halbrunde Annexe waren im Neuen Bauen eine beliebte Bauform, in vielen Fällen wurden ihre Fenster ebenfalls mit gebogenen Scheiben versehen. Da dies aber eine kostspielige Angelegenheit war, wurde die Krümmung häufig mit einem Wechsel von Fensterflächen und Mauerabschnitten geformt, so auch im Herforder Haus Tremel. Die Fensterrahmen setzen sich in einem hellen Türkis effektvoll vom weißen Putz der Fassaden ab.

Das Dach ist dem Zeitgeist des Neuen Bauens entsprechend flach gedeckt. Man kann sich kaum vorstellen wie dieses Haus mit einem Walmdach ausgesehen hätte, doch die örtliche Baubehörde wollte ein solches dem Bauherren vorschreiben. In einer längeren Auseinandersetzung erstritt Tremel schließlich die Genehmigung für ein Flachdach. Warum nicht gleich? Das Neue Bauen, dessen Formensprache helle, glatt verputze Kuben mit großen Fenstern, flachen Dächern und farbigen Akzenten beinhaltete, wurde von den Behörden vielerorts als eine Art Bedrohung wahrgenommen, der man durch entsprechende Vorschriften und Gesetze entgegen wirken wollte. Hier hatte die Heimatschutzbewegung Grundlagen gelegt: Bereits seit 1907 war das "Preussische Gesetz gegen Verunstaltung" in Kraft getreten. Es hatte die Wahrung einheitlicher Ortsbilder zum Ziel, die regionalen Formenprägungen als Identifikationsmerkmale wollte man beibehalten. Die Maßstäbe für eine Beurteilung waren allerdings nicht klar definiert. Dennoch war gerade das Flachdach ein besonders schwerwiegender Streitpunkt. Einige Bauherren erreichten schließlich eine Genehmigung – zuweilen auch erst nachträglich – mithilfe der Begründung, ein Walmdach sei wesentlich teurer, ein nachträglicher Umbau erst recht! Im Fall des Hauses von August Tremel hatte sich schließlich der Oberbürgermeister von Herford persönlich eingeschaltet und noch im Jahr 1938 den Eigentümer aufgefordert, sein Haus den benachbarten Häusern – vielfach Putzbauten mit Satteldächern – optisch anzupassen. Tremel ließ sich nicht beirren und verwies auf seine wirtschaftliche Situation, die einen solchen Umbau nicht zuließe. Er zeigte sich aber bereit, die Umbauten vorzunehmen, wenn die Stadt selber für die Kosten aufkäme. Ob dies eine Finte oder Ernst war, wissen wir nicht. Das Flachdach ist jedenfalls immer noch da.

Autor*in: Dr. Viviane Taubert, Dr. Stephan Strauß (Strauß Fischer Historische Bauwerke, Krefeld/Bremen), im Auftrag der LWL-DLBW
Zuletzt geändert am 22.04.2020

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Kategorien:
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