Wilhelmshofallee 91 (Lange) und 97 (Esters), 47800 Krefeld
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1928-30
Architekt Ludwig Mies van der Rohe
Hermann Lange
(Haus Lange)
Dr. Joseph Esters
(Haus Esters)
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Objektanzahl: 2520
Krefeld
Entfernung: 0.71 km
47799 Krefeld
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47803 Krefeld
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47803 Krefeld
Im Westen Deutschlands war Mies van der Rohe nur ganz vereinzelt tätig. Zu diesen seltenen Ausnahmen zählen die beiden Krefelder Wohnhäuser von Hermann Lange und Josef Esters sowie, ebenfalls in der „Seidenstadt“ am Niederrhein, die Fabrikgebäude der Vereinigten Seidenwebereien AG (Verseidag), deren Vorstand auch die Bauherren der Wohnhäuser angehörten. Hermann Lange war zudem auch Mitglied des Deutschen Werkbundes, dessen zweiter Vorsitzender wiederum Mies van der Rohe 1926 bis 1932 war.
Für den internationalen Nachruhm des Architekten spielten die Krefelder Häuser lange Zeit keine Rolle, zu wenig entsprachen die mit einer Klinkerhaut überzogenen Stahlgerüstbauten mit einer vergleichsweise traditionellen Grundrissaufteilung dem Bild der Mies’schen Idealarchitektur etwa des Barcelona-Pavillons. Im Rampenlicht stand dessen Wohnvariante, das parallel zu den beiden Krefelder Häusern erbaute Haus Tugendhat in Brünn (Brno). Dies mag dazu beigetragen haben, dass die Häuser Lange und Esters in der Architekturgeschichtsschreibung weitgehend in Vergessenheit gerieten und die Umstände ihrer Entstehung erst mühsam und bis heute unvollständig rekonstruiert werden konnten.
Als Mies van der Rohe von 1930 die Leitung des Bauhauses in Dessau übernahm, um dieses in Berlin noch zur erzwungenen Schließung im Juli 1933 weiterzuführen, waren die Krefelder Wohnhäuser bereits ausgeführt.
1968 stiftete Ulrich Lange das von seinem Vater erbaute Haus der Stadt Krefeld als „Ort für Kunst“, nachdem er es bereits seit 1955 für temporäre Kunstausstellungen mietfrei zur Verfügung gestellt hatte. In Krefeld gerieten die Häuser daher nie ganz aus dem kollektiven Gedächtnis. Aus dem Impuls der Stiftung Langes resultierte schließlich die spätere Erwerbung des Hauses Esters durch die Stadt, um auch dieses Gebäude als Museum nutzen zu können.
Mit Hermann Lange und Josef Esters hatte Mies van der Rohe zwei Klienten gefunden, wie sie sich jeder Architekt seiner Generation wünschen musste. Denn die beiden Bauherren waren nicht nur kapitalkräftig, sondern auch gestalterischen Fragen gegenüber aufgeschlossen und selbst Kunstsammler. Sie waren, wie man damals sagte, Kunstfreunde. Und für Kunstfreunde zu bauen, das war in den Jahren, in denen Mies zum Architekten heranwuchs, im bürgerlichen Wohnbau die ideale Bauaufgabe schlechthin; im Grunde genommen sollten auch kleinere Wohnhäuser sich an dem Vorbild des mit individuellem Geschmack eingerichteten „Haus eines Kunstfreundes“ orientieren. Idealiter fanden bei einem solchen Bauprojekt die verwandten Seelen von Bauherr und Architekt problemlos zusammen – in der Wirklichkeit trafen nicht selten anmaßende Gestaltungsansprüche der Architekten und abweichende individuelle Wünsche der Auftraggeber aufeinander. Im Falle der Häuser Esters und Lange brach aber ein noch tiefer liegender Konflikt auf. Denn: Wenn der Raum selbst zur Kunst wird, kann er dann noch Kunst beherbergen?
Angesichts der Nutzung von Haus Lange (seit 1955) und Haus Esters (seit 1981) als Ausstellungsort für Kunst mag diese Frage akademisch erscheinen, aber zu ihrer Bauzeit stellte das von Mies van der Rohe angestrebte fließende Raumkonzept, wie es im Vorentwurf zu Haus Esters überliefert ist, eine Herausforderung dar, nicht zuletzt deshalb, weil nicht genügend Hänge- bzw. Stellflächen für die modernen Gemälde, Grafiken und Skulpturen eingeplant wurde. Esters und Lange beharrten wohl auch aus diesem Grund auf mehr Wandfläche. Dazu sollten ihre Häuser trotz der neuartigen kubischen Formen durchaus herkömmlichen Repräsentationsansprüchen genügen, wie die entfernt an englische Vorbilder erinnernden Wohnhallen zeigen oder die noch ganz traditionell anmutenden Funktionszuweisungen von Damen- und Herrenzimmer im ausgeführten Entwurf. Das größte Hindernis für die Präsentation von Kunst im klassischen Sinne stellten allerdings die großen, bis auf Schienbeinhöhe herunterreichende Verglasungen der gartenseitigen Wohnräume dar, zogen die panoramatischen Ausblicke doch den Blick von der Kunst weg in den als Erweiterung des Hauses begriffenen Garten. Nicht von ungefähr überzeugt die heutige Museumsnutzung der beiden Häuser immer dann besonders, wenn die Künstlerinnen und Künstler das Haus selbst mit in die Präsentation ihrer Werke einbeziehen oder eigens Werke für diesen Ort konzipieren.
Schon einige Jahre bevor Mies van der Rohe um 1926 erstmals auf der Krefelder Bühne erschien, hatten die beiden miteinander befreundeten Seidenfabrikanten die Grundstücke an der Wilhelmshofallee erworben: Lange 1921, Esters zwei Jahre später. Die Familie Esters nutzte ihr Grundstück zunächst als Wohngarten und ließ 1923 ein heute noch erhaltenes Gartenhaus in Holzbauweise errichten, das auch deshalb besondere Erwähnung verdient, weil es – obgleich ein Einzelentwurf – unter Verwendung vorgefertigter Bauteile der Deutschen Werkstätten Hellerau entstand. Ob auch das Grundstück der Familie Lange schon vor dem Hausbau als Garten gestaltet war, ist nicht überliefert.
Die Dimensionen beider Grundstücke waren im Vergleich zu den meisten anderen Parzellen an der west-östlich verlaufenden Wilhelmshofallee besonders breit. Für die Baukörper ergab sich daher eine Längsform mit weiten Straßen- bzw. Gartenfronten, denen die Bauherren und ihr Architekt einen völlig unterschiedlichen Charakter gaben. Die zur großzügigen Auffahrt gerichteten Straßenseiten sind bei beiden Häusern weitgehend verschlossen, zum Teil sogar durch Schildwände, die sich auf der Gartenseite als rückwärtige Begrenzungen von Loggien zu erkennen geben. Die Südseiten hingegen sind in beiden Geschossen durch sehr hohe, querrechteckige Fenster großzügig geöffnet, die in der Mehrzahl aus hochrechteckigen, gleich breiten Scheiben zusammengesetzt sind. Eine Ausnahme bilden die durchgehenden Glasscheiben im Erdgeschoss des Hauses Lange, die teils versenkbar sind. Im Sinne eines „befreiten Wohnens“ sollte der Blick aus dem Inneren nahezu barrierefrei in den Garten schweifen – nahezu, weil die niedrigen Fensterbrüstungen dennoch klar die Grenze zwischen Innen- und Außenraum markieren. Vor den Häusern geht über eine formal gestaltete, erhöhte Gartenterrasse hinweg der Blick auf eine große Rasenfläche mit seitlichen Gebüsch- und Baumgruppen. Ein Eigenleben führen die vom Wohnhaus nicht einsehbaren formalen Sondergärten, die sich über die ganze Tiefe der Grundstücke, in ihrem vorderen Teil also neben den Wohnhäusern liegend, erstrecken. Einer der bekanntesten Gärten der Zeit, vielfach malerisch dokumentiert, wies solch ein Nebeneinander eines naturnahen Ausblicks und eines formalen Sondergartens auf: Der noch vor dem Ersten Weltkrieg unter Mitwirkung von Alfred Lichtwark konzipierte seeseitige Garten des Hauses von Max Liebermann am Wannsee in Berlin. Mies’ prägende Berliner Jahre der Vorkriegszeit fanden hier ihr spätes Echo.
Autor*in: Birgit Gropp
Zuletzt geändert am 06.10.2020
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